Herausforderungen

Neue Antworten auf Herausforderungen der pflegerischen Versorgung sind überfällig und können nicht mehr aufgeschoben werden!

In Hamburg leben über 34.000 Menschen mit einer Demenz. Eine Anzahl, die etwa die Bevölkerung in Stadtteilen wie etwa Bahrenfeld oder Langenhorn umfassen würde. Eine Zahl, die sich mehr als verdoppelt, wenn die damit verbundenen Angehörigen einbezogen werden, die 90 % der von einer Demenz betroffenen Menschen in ihrer Häuslichkeit betreuen und pflegen.

Für viele Bürgerinnen und Bürger in Hamburg ist Demenz kein Randthema, sondern bestimmt ihren Alltag. Eine Situation, die sich in den letzten Jahren durch den Personalmangel in der Pflege und ein damit verbunden Rückführungen von freien Kapazitäten bei Pflegebetrieben noch-mal verschärft hat.
Neben der Belastung durch die längere Suche nach verfügbaren Einsätzen und Plätzen für pflegebedürftige Angehörige sind auch die finanziellen Eigenanteile für Leistungen der Pflege weitergestiegen. Diese Entwicklung belastet pflegende Familien nicht nur finanziell erheblich, sondern führt auch dazu, dass Leistungen der Pflege noch später als bisher genutzt werden. Pflegende Angehörige sind hierdurch noch mehr als bisher gefordert die Pflege im Alltag zu tragen und begünstigt so auch eine wachsende mangelnde Grundversorgung von Menschen mit Pflegebedarf mit und ohne Demenz in dieser Stadt.

Die Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen in der Häuslichkeit und Wohn-Pflege-Angeboten stärken und spürbar verbessern!

Mit Blick auf den demografischen Wandel werden sich die skizzierten Entwicklungen ohne Ge-genmaßnahmen weiter verschärfen.

  • In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl von pflegebedürftigen Menschen in Hamburg zwischen 2011 und 2021 von 47.207 auf 90.288 fast verdoppelt (Vdek 2023)
  • Gleichzeitig erhöht sich der Personalmangel bei Gesundheits- und Krankenpflegekräften bis ins Jahr 2030 in der stationären Pflege und der Pflege im Krankenhaus von 2.400 auf 5.700 Kräfte 2030. In der Altenpflege steigt das Defizit von 1.400 auf 3.400 Pflegekräfte (WIFOR Institut, 2021).
  • In der Verwaltung steigt der Anteil nicht besetzter Stellen. 2023 waren 4.000 Stellen nicht besetzt, davon auch viele Stellen in Bezirksämtern, so waren z.B. in Altona 29%, in Eimsbüttel 22% und Mitte 16 % der Stellen nicht besetzt. Hinzu kommen hohe Krankenstände bei den Mitarbeitenden (NDR, 17.04.2023).
  • Auch in den acht Pflegestützpunkten fallen immer wieder Mitarbeitende aus bzw. können Stellen nicht zeitnah nachbesetzt werden.
All diese Entwicklungen üben Druck aus auf:
  • die Sicherstellung der professionellen pflegerischen Versorgung
  • eine zeitnahe Bearbeitung von Leistungsanträgen und personelle Ressourcen für Gestaltung bezirklicher Strukturen
  • Beratung, Begleitung und Unterstützung von pflegenden An- und Zugehörigen in ihrem Pflegealltag

Der Personalmangel in der Pflege wird absehbar anhalten und faktisch die Möglichkeiten gesetzlicher Pflegeleistungen – abgesehen von offenen Fragen der Finanzierung der Pflegeversicherung – beschränken. An- und Zugehörige werden deshalb nochmal mehr gefordert sein, die alltägliche Pflege ihrer Angehörigen sicherzustellen. Diese Entwicklung und eine begrenzte Verfügbarkeit professioneller Pflegeleistungen, erfordert einen Ausbau stadtteilnaher Case- und Care-Managementangebote, um Angehörige in ihrer Pflege zu beraten und zu begleiten, nachbarschaftliche und ehrenamtliche Hilfen zu initiieren sowie professionelle Pflege fachlich und wirtschaftlich effizient einzusetzen.

Einrichtung einer operativen Ebene zwischen Stadt und Bezirken

Auch wenn in Hamburg eine Vielzahl von Angeboten zur Unterstützung von Menschen mit Demenz und deren Angehörige bestehen, gibt es doch seit längeren Handlungsbedarfe, die bisher nicht ausreichend angegangen wurden. Dies erfordert in Hamburg zum einen eine übergreifende operative Struktur, die Bedarfslagen aus den Bezirken bündeln und mit den relevanten Kostenträgern leistungsrechtlich bewerten kann sowie zum anderen fachliche Ressourcen für die Bezirke, damit eine systematische Zusammenarbeit von Stadt- und Bezirksebne für die Umsetzung mit den Fachgruppen der Versorgungsbereiche vor Ort effektiver ermöglicht werden kann. Dies ist umso erforderlicher, zumal in den letzten Jahren wie kürzlich mit der Nationalen Demenzstrategie viele bundespolitische Impulse gesetzt wurden, für deren Bearbeitung auf der Landesebene eine solche Arbeitsstruktur eigentlich Voraussetzung ist.

Beratungsangebote für Angehörige und Menschen mit Demenz

Die in Hamburg bestehenden acht Pflegestützpunkte können den Beratungs- und Begleitbedarf von Angehörigen und Menschen mit Demenz weder zeitlich noch in Hinblick auf einen kurzen Weg zur Beratung abdecken. Um Angehörige und Menschen mit Demenz den Weg zur Beratung zu erleichtern und in ihrem Alltag besser begleiten zu können, ist ein in der Finanzierung gesicherter Ausbau von weiteren Beratungsmöglichkeiten in Hamburg erforderlich.

Aus- und Aufbau von bezirklichen Kurzzeit- und Nachtpflegeangeboten

Die meisten Menschen mit einer Demenz leben bis zuletzt zuhause. Dies ist nur möglich, weil Angehörige 24 Stunden ihren erkrankten Angehörigen begleiten und den gesamten Alltag organisieren. Regelmäßig kommen pflegende Angehörige hier an ihre Grenzen und gefährden ihre Gesundheit und damit die Stabilität der häuslichen Versorgung. Für Angehörige ist hier eine zeitnahe und flexiblere Unterstützung in Not- und Krisensituationen erforderlich. Dies betrifft den Zugriff auf kurzfristig verfügbare Kurzzeitpflege und auch Möglichkeiten der befristen teilstationären Nachtpflege. Diese Angebote müssen, um für Angehörige erreichbar zu sein, wohnortnah orientiert sein. Derartige Angebote gibt es in Hamburg zu wenig (solitäre Kurzzeitpflegen) bzw. sind nicht verfügbar (eingestreute Kurzzeitpflegeplätze in stationären Wohneinrichtungen) oder wie ein „Nachtpflegeangebot“, müssten erst entwickelt werden.

Stärkung von Pflegemitarbeitern in der Betreuung von Menschen mit Demenz

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Altersstruktur und die Pflege- und Betreuungsbedarfe von Bewohnerinnen in stationären Wohneinrichtungen, aber auch in der häuslichen Pflege stark verändert. 70% der Bewohnerinnen und Bewohner in stationären Pflegeeinrichtungen haben eine demenzielle Erkrankung. Damit sind die Mitarbeiten täglich gefordert mit veränderten Verhaltensweisen im Zuge einer demenziellen Erkrankung umzugehen. Dies ist anspruchsvoll und oft kräftezerrend. Mitarbeiter der stationären, aber auch ambulanten Pflege, müssen deshalb in der Betreuung und Begleitung von Menschen mit einer Demenz gut qualifiziert sein. In der Ausbildung wird die Begleitung und Betreuung von Menschen mit Demenz erst spät und nicht umfänglich thematisiert. Hinzu kommt, dass aufgrund stetig neuer Situationen in der Betreuung, die Qualifizierung kontinuierlich erfolgen muss, um einerseits Belastungen im Umgang reflektieren zu können und andererseits aus Praxiserfahrungen lernen zu können. Die Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz muss deshalb in der Ausbildung von Pflegekräften einen größeren Umfang einnehmen und kontinuierlich in Form von Fallbesprechungen und spezifischen Fortbildungen erfolgen.

Menschen mit Demenz im Krankenhaus

Mit der Alterung der Gesellschaft hat sich auch die Altersstruktur von Patentinnen und Patienten in Hamburger Krankenhäusern verändert. Mehr Patienten sind heute hochbetagt und kommen nicht selten begleitend mit altersbedingten Orientierungsbeeinträchtigungen bzw. einer Demenz ins Krankenhaus. Für die Mitarbeitenden im Krankenhaus bedeutet dies eine große Herausforderung hinsichtlich der Durchführung von Behandlungen und der Sicherstellung der Grundversorgung dieser Patientinnen und Patienten. Für die Patientinnen und Patienten selbst bedeutet der Krankenhausaufenthalt oftmals eine hohe Stresserfahrung und begünstigt hierdurch eine Verschlechterung ihrer kognitiven Gesundheit. Krankenhäuser sind deshalb gefordert, ihre Mitarbeitenden und Abläufe intensiver auf eine ältere Patientenstruktur mit verändert Begleitbedarfe hin zu orientieren. Krankenhäuser sollten deshalb bestehende Abläufe aus Sicht dieser Patientengruppe betrachten, hierfür interne Kommunikations- und Steuerungsstrukturen sowie personelle Ressourcen zur operativen Umsetzung einrichten.

(Stand 11.2024)